08.12.2017, 19:50 Uhr | t-online.de, dpa, AFP, Reuters, az
In allen untersuchten Bieren wurde Glyphosat nachgewiesen. (Quelle: t-online.de)
Schlechte Nachrichten für Bierliebhaber: In mehreren deutschen Bieren wurden Rückstände des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat nachgewiesen.
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Bereits 2016 untersuchte das Münchner Umweltinstitut 14 der beliebtesten Biermarken. In allen Fällen wurden die Tester dabei fündig: Der höchste gemessene Wert wurde bei der Sorte Hasseröder Pils festgestellt, er lag bei 29,74 Mikrogramm pro Liter. Die geringste Konzentration wurde bei der Marke Augustiner Helles nachgewiesen, sie lag bei 0,46 Mikrogramm Glyphosat pro Liter. Im extremsten Fall lag der Wert 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser.
Diese Werte wurden 2016 gemessen:
Biersorte | gemessener Glyphosatwert |
---|---|
Augustiner Helles | 0,46 Mikrogramm pro Liter |
Franziskaner Weißbier | 0,49 Mikrogramm pro Liter |
Beck’s Pils | 0,50 Mikrogramm pro Liter |
Bitburger Pils | 0,55 Mikrogramm pro Liter |
Paulaner Weißbier | 0,66 Mikrogramm pro Liter |
Erdinger Weißbier | 2,92 Mikrogramm pro Liter |
Krombacher Pils | 2,99 Mikrogramm pro Liter |
König Pilsner | 3,35 Mikrogramm pro Liter |
Oettinger Pils | 3,86 Mikrogramm pro Liter |
Veltins Pilsener | 5,78 Mikrogramm pro Liter |
Radeberger Pilsner | 12,01 Mikrogramm pro Liter |
Warsteiner Pils | 20,73 Mikrogramm pro Liter |
Jever Pils | 23,04 Mikrogramm pro Liter |
Hasseröder Pils | 29,74 Mikrogramm pro Liter |
Der Grenzwert für Trinkwasser wurde deutlich überschritten
Zum Vergleich: Der Grenzwert für Trinkwasser beläuft sich auf 0,1 Mikrogramm pro Liter, das heißt, selbst der niedrigste gemessene Wert liegt noch deutlich darüber. Für Bier gibt es aber keine Grenzwerte.
Bei krebserregenden Stoffen gibt es generell keine Untergrenze. Selbst geringste Mengen können gesundheitsschädigend wirken. Ihre Aufnahme sollte daher so weit wie möglich reduziert werden.
Das sind die neuen Werte des Unkrautvernichters im Bier
Das umstrittene Herbizid Glyphosat ist weiterhin in deutschem Bier
nachweisbar. Allerdings gehen die gemessenen Rückstände des
Unkrautbekämpfungsmittels deutlich zurück, wie eine Untersuchung des
privaten Münchner Umweltinstituts vom Sommer 2017 ergab. Das Institut
ist ein Verein, der sich unter anderem für ökologischen Landbau
einsetzt.
Werte von Glyphosat gingen um 80 Prozent zurück
Im Vergleich zur vorangegangenen Studie im vergangenen Jahr seien die
Werte bei der diesjährigen Untersuchung im Durchschnitt um fast 80
Prozent zurückgegangen, hieß es. Wurden 2016 durchschnittlich 7,6
Mikrogramm in einem Liter Bier gemessen, waren es 2017 durchschnittlich
1,7 Mikrogramm. Bei drei Bieren fanden die Tester in diesem Jahr jedoch
im Durchschnitt höhere Rückstände als in der Stichprobe von 2016.
Diese Werte wurden 2017 gemessen:
Biersorte | gemessener Glyphosatwert |
---|---|
Augustiner Helles | 0,4 Mikrogramm pro Liter |
Franziskaner Weißbier | 1,1 Mikrogramm pro Liter |
Beck’s Pils | 2,9 Mikrogramm pro Liter |
Bitburger Pils | 1,7 Mikrogramm pro Liter |
Paulaner Weißbier | 0,3 Mikrogramm pro Liter |
Erdinger Weißbier | 0,3 Mikrogramm pro Liter |
Krombacher Pils | 1,4 Mikrogramm pro Liter |
König Pilsner | 2,7 Mikrogramm pro Liter |
Oettinger Pils | 1,8 Mikrogramm pro Liter |
Veltins Pilsener | 1,2 Mikrogramm pro Liter |
Radeberger Pilsner | 2,4 Mikrogramm pro Liter |
Warsteiner Pils | 1,5 Mikrogramm pro Liter |
Jever Pils | 5,1 Mikrogramm pro Liter |
Hasseröder Pils | 0,7 Mikrogramm pro Liter |
Der höchste Wert immer noch rund 50-fach über dem Trinkwasser-Grenzwert
“Offenbar haben die getesteten Brauereien ihre Hausaufgaben gemacht”,
sagte Karl Bär, Referent für Agrarpolitik am Umweltinstitut. “Meine
Vermutung ist, dass die Brauereien beim Einkauf der Gerste besser
aufpassen.” Allerdings liege der höchste Wert in einem der 14
untersuchten Biere mit 5,1 Mikrogramm pro Liter immer noch rund 50-fach
über dem Trinkwasser-Grenzwert, hieß es.
Der Unkrautvernichter wird breit eingesetzt
Die Umweltschützer gehen davon aus, dass die Braugerste die
Hauptquelle für das Glyphosat im Bier ist. Auf Hopfendolden werde nicht
gesprüht, im Grundwasser werde Glyphosat sehr selten gefunden.
Über die EU-Zulassung von Glyphosat für weitere zehn Jahre soll im Herbst entschieden werden.
Ist Glyphosat für den Menschen gefährlich?
Der Unkrautvernichter wird auch auf deutschen Feldern breit eingesetzt. Welche Auswirkungen die Chemikalie auf den Menschen hat, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Mal zeigte sich in Studien eine krebserregende und DNA-schädigende Wirkung, mal wurde der Wirkstoff für unbedenklich eingestuft. Rückstände von Glyphosat wurden in Lebensmitteln wie Säften und Bier, aber auch in Getreide festgestellt.
Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) stuft die Chemikalie als “wahrscheinlich krebserregend” ein, wie aber auch rotes Fleisch und Schichtarbeit. Die EU-Behörden weisen das aber zurück. Allerdings wird EU-Behörden und auch dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung eine zu große Nähe zur Glyphosat-Lobby nachgesagt. Zugleich gibt es Vorwürfe, der US-Hersteller Monsanto habe Wissenschaftler bestochen, um Studienergebnisse zu schönen.
Der Deutsche Brauerbund mit Untersuchung nicht einverstanden
Der Deutsche Brauerbund zweifelt die neue Untersuchung des Umweltinstituts – wie die des Vorjahres auch – an. Die Brauereien in Deutschland betrieben einen hohen Aufwand, um die Rohstoffe, die nach dem Reinheitsgebot zum Brauen verwendet werden, auf Schadstoffe zu kontrollieren. “Unser eigenes Monitoringsystem für Braumalz zeigt, dass die gemessenen Werte stets deutlich unter den Höchstgrenzen liegen. Zu keiner Zeit konnten Überschreitungen der zulässigen Rückstandshöchstwerte bei Glyphosat festgestellt werden.” Daneben gebe es staatliche Kontrollen und Eigenkontrollen der Brauereien, so der Bund.
Entwarnung vom BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte bereits 2016 bei den deutlich höheren Werten keine Gefahr für Verbraucher gesehen. Glyphosat-Rückstände in Bier seien grundsätzlich erwartbar. Selbst die höchsten Werte von rund 30 Mikrogramm pro Liter seien so niedrig, dass die hieraus rechnerisch resultierende Aufnahmemenge bei einem Erwachsenen mehr als 1000-fach niedriger liegen würde als die derzeit als unbedenklich geltenden Aufnahmemengen, teilte das BfR mit. “Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken.”
Glyphosat auch in anderen Lebensmitteln enthalten
Allerdings nehmen Menschen höchstwahrscheinlich zusätzlich mit vielen weiteren Lebensmitteln Glyphosat auf. Trotz der Anstrengungen beim Bier sei es keiner Brauerei gelungen, Glyphosat ganz aus dem Bier zu verbannen, sagte Bär vom Umweltinstitut. “Das spricht für eine deutliche Hintergrundbelastung mit dem Unkrautvernichter.” Laut Bär werden jedes Jahr rund 5000 Tonnen Glyphosat in Deutschland ausgebracht. “Es ist nicht möglich, einen Stoff in derart großen Mengen in die Umwelt zu bringen, ohne dass er zu uns Menschen zurückkommt.”
SPD will Glyphosat-Anwendung in Deutschland stark einschränken
Eine neue Bundesregierung muss nach den Worten von SPD-Chef Martin Schulz ein Verbot des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat anstreben. Die SPD setze sich nachdrücklich dafür ein, “die Anwendung von Glyphosat in Deutschland weitestgehend einzuschränken, wenn möglich zu verbieten”, erklärte Schulz am Mittwoch in Berlin. “Eine künftige Bundesregierung muss hieran arbeiten und die notwendigen Rechtsvoraussetzungen schaffen.” Schulz nannte das Verhalten von Agrarminister Christian Schmidt “skandalös”. Der CSU-Politiker habe damit einen “massiven Vertrauensverlust” innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung ausgelöst.
Der Vertreter des Agrarministeriums hatte am Montag in Brüssel auf Weisung Schmidts dafür gestimmt, die Zulassung von Glyphosat in der EU um weitere fünf Jahre zu verlängern. Das deutsche Ja war nicht mit Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) abgestimmt, die gegen die Verlängerung war. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Schmidt öffentlich gerügt, weil er gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung verstoßen habe. Demnach hätte sich Deutschland bei Uneinigkeit zwischen den Ressorts eigentlich enthalten müssen. Das Thema belastet das Klima zwischen Union und SPD vor Gesprächen über eine Regierungsbildung stark.
Wer ist das Umweltinstitut München?
Das Umweltinstitut München ist ein Verein von Umweltaktivisten, der nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl gegründet wurde und sich nach eigenen Aussagen für gentechnikfreies Essen, für eine nachhaltige Energiewende, für den ökologischen Landbau und gegen Atomkraft einsetzt. Es handelt sich nicht um ein Institut, das Lehre und Forschung betreibt, sondern der Verein nennt sich lediglich “Institut”.
So wurde in der ersten Untersuchung gemessen
Das Umweltinstitut hatte 2016 zunächst mit der sogenannten Elisa-Methode messen lassen, die zwar bei niedrigen Werten anspricht, aber umstritten ist. Die drei Biere mit Werten ab 20 Mikrogramm pro Liter waren mit der weniger sensiblen LC-MS/MS-Methode gegengecheckt worden, die Werte bestätigten sich. Mit der Elisa-Methode gemessene und dann mit der LC-MS/MS-Methode bestätigte höhere Werte können als nachgewiesen gewertet werden, sagte Mareike Kolossa, Leiterin des Fachgebiets gesundheitsbezogene Umweltbeobachtung im Umweltbundesamt. Sie berichtete auch, dass bei Studien mit Studenten in den vergangenen 15 Jahren die Belastung mit Glyphosat im Urin gestiegen sei.
Glyphosat: ein umstrittener Wirkstoff
Glyphosat ist welt- und deutschlandweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Unkrautvernichtungsmitteln und das am weitesten verbreitete Pflanzengift. Der Hersteller Monsanto verdient daran Milliarden.
In der Landwirtschaft und im Gartenbau wird Glyphosat vor der Aussaat zur Unkrautbekämpfung verwendet.
Bei gentechnisch veränderten Pflanzen, die gegen Glyphosat resistent sind, kann der Stoff auch nach der Aussaat eingesetzt werden. Solche Pflanzen werden ebenfalls von Monsanto produziert.
Getreide darf in Deutschland unter bestimmten Umständen auch vor der Ernte damit behandelt werden. Bundesweit wurden laut Umweltbundesamt im Jahr 2012 knapp 6000 Tonnen reine Wirkstoffmenge aufgebracht. Dabei werden Glyphosat oft noch Beistoffe beigemischt. Sie sollen das Eindringen in die Pflanze erleichtern. Diese Stoffe sind nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zum Teil giftiger als das Glyphosat selbst.
WHO hält Glyphosat für krebserregend
Über den Stoff wird immer wieder kontrovers diskutiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Glyphosat 2015 als “wahrscheinlich krebserregend für Menschen” bewertet. Umweltschützer fordern seit Jahren ein Verbot.
Efsa hält Gefahr für unwahrscheinlich
DIE EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa stufte Glyphosat dagegen als “wahrscheinlich nicht krebserregend” ein.
Der Efsa-Bericht dient der EU-Kommission als Grundlage im Verfahren der Zulassung von Glyphosat, die in Europa in diesem Sommer ausläuft.
Umweltbundesamt: Belastung “nicht wünschenswert”
Mareike Kolossa vom Umweltbundesamt sagte dazu, da nach wie vor zwischen Experten nicht abschließend geklärt sei, ob Glyphosat Krebs beim Menschen erregen könne, sei eine Belastung des Menschen “nicht wünschenswert”.
Zulassung von Glyphosat soll verlängert werden
Die EU-Kommission will die Zulassung von Glyphosat um 15 Jahre verlängern. Darauf wies der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Martin Häusling, hin. Aus Kreisen der Kommission verlautete, die Entscheidung werde am 7. und 8. März in einem Ausschuss zusammen mit Experten und Vertretern der EU-Mitgliedstaaten fallen.
Bauernverband sieht mögliche Schuld in Importen
Es sei schwer festzustellen, aus welcher Quelle das gefundene Pestizid stamme, sagte ein Sprecher des Deutschen Bauernverband (DBV). Möglich sei, dass Spuren von Glyphosat durch den Import von Braugerste Eingang in die Produktionskette gefunden hätten. Nach Angaben des Bauernverbands werden in Deutschland jährlich rund eine Million Tonnen Braugerste angebaut. Eine ebenso große Menge wird importiert – hauptsächlich aus Frankreich, Dänemark und Großbritannien.
Nach Angaben des Bauernverbands sei der Einsatz bei der Vorerntebehandlung von Braugerste hierzulande verboten. Möglich sei jedoch, dass Bauern den Boden vor dem Einbringen des Saatguts mit glyphosathaltigen Mitteln behandeln, um diesen von Unkraut zu befreien. Glyphosat zersetze sich jedoch innerhalb von zwei bis drei Wochen im Boden. “Wenn das Pestizid beim Einsäen noch vorhanden wäre, würde nichts wachsen”, erklärte der Sprecher.